Gehaltsverhandlung: 10 Fragen an Expertin Elke Wagenpfeil

von Monster Contributor

Die Gehaltsverhandlung ist keine alltägliche Situation. Um erfolgreich zu sein, sollte man sich möglichst zielgerichtet vorbereiten. Wir haben mit Diplom-Psychologin Elke Wagenpfeil gesprochen. Sie ist Expertin rund um die Themen Job und Karriere. Viele Jahre war sie selbst Personalerin in einem großen deutschen Unternehmen. Als zertifizierter Coach unterstützt sie heute in ihrer eigenen Praxis Menschen in ihrer beruflichen Entwicklung. Ihre Kunden kommen aus allen Branchen, sowohl aus namhaften Konzernen, wie auch aus mittelständischen Unternehmen.

Tipps für die Gehaltsverhandlung: 10 Fragen an Karriereexpertin Elke Wagenpfeil

Hallo Frau Wagenpfeil. Wir sprechen heute über die Gehaltsverhandlung, Tipps von Ihnen als Expertin sind sicher Gold wert. Zunächst einmal: Sollte man das Thema Gehalt bei seinem Chef aktiv ansprechen oder lieber abwarten?

Unbedingt selber aktiv werden! Leider bieten die wenigsten Vorgesetzten von sich aus mehr Gehalt an. Das passiert noch am ehesten, wenn Mitarbeiter in eine Führungsposition wechseln, oder wenn der Chef Angst hat, einen Mitarbeiter, der schwer ersetzbar ist, zu verlieren. Für alle anderen gilt: Gehen Sie auf Ihren Vorgesetzten zu und sorgen Sie gut für sich! In welchen Zeitabständen man verhandeln sollte, hängt sehr davon ab, wie sich Ihre Verantwortungsbereiche, Qualifikationen und Leistungen entwickelt haben oder in welcher wirtschaftlichen Lage sich Ihr Unternehmen gerade befindet. Aus meiner Erfahrung fragen Mitarbeiter allerdings eher zu selten nach einer Gehaltserhöhung. Deshalb mein Tipp: Lieber einmal zu oft verhandeln, als einmal zu wenig.

Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung?

Oft wird das Gehalt im Anschluss an das jährliche Mitarbeitergespräch verhandelt. Das hat den Vorteil, dass dort bereits alle Ihre Leistungen besprochen wurden und hoffentlich entsprechend wertgeschätzt wurden. Sollten Sie einen anderen Zeitpunkt für geeigneter halten, handeln Sie. Ein guter Zeitpunkt ist zum Beispiel, wenn Sie gerade ein Projekt erfolgreich abgeschlossen haben und Ihr Chef voller Lob ist. Geben Sie so ein Lob zurück: „Ich freue mich und danke Ihnen, diese Chance bekommen zu haben. Und nun möchte ich mit Ihnen gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie sich meine Leistungen zukünftig noch angemessener in meinem Gehalt widerspiegeln“.

Darüber hinaus gibt es bessere oder schlechtere Tageszeiten. Mit einem Vorgesetzten, der vor den ersten drei Tassen Kaffee keinen klaren Gedanken fassen kann, zu verhandeln, ist genauso ungünstig wie in der Zeit des allgemeinen „Suppen-Komas“, also direkt nach dem Mittagessen. Lassen Sie sich auch nicht mit einem zehnminütigen Termin zwischen zwei wichtigen Meetings abspeisen. Bitten Sie um ein Zeitfenster von mindestens einer halben Stunde.

Was sind gute Argumente, um ein höheres Gehalt auszuhandeln?

Überlegen Sie sich vorab, wo Sie einen konkreten Mehrwert für das Unternehmen oder die Abteilung geliefert haben. Haben Sie zum Beispiel zusätzlich Verantwortung übernommen? Haben Sie einen Prozess verbessert oder neue Kunden gewonnen? Haben Sie dazu beigetragen, Kundenreklamationen, Entwicklungszeiten, Produktionskosten oder sonstige Kosten zu reduzieren? Argumentieren Sie dann mit diesen Fakten in der Gehaltsverhandlung. Und, wo immer möglich, untermauern Sie Ihre Argumente mit Zahlen. Rechnen Sie im Vorfeld hoch, wie viel Geld durch Ihren Beitrag zusätzlich erzielt oder eingespart wurde. So kommt zum Beispiel für das Unternehmen durch eingesparte Arbeitszeiten bei einem bestimmten Kostensatz X pro Arbeitsstunde schnell eine stattliche Summe im Jahr zusammen. Das stärkt Ihre Verhandlungsposition. Führungskräfte denken in Zahlen, machen Sie sich das zu Nutze.

Ich empfehle immer, die Liste mit konkreten Beispielen in das Gehaltsgespräch mitzunehmen. Damit zeigen Sie, dass Sie sich gut vorbereitet haben und dass es Ihnen ernst ist. Sie sind kein Bittsteller, sondern Sie liefern ein Mehr an Leistung gegen eine angemessene Bezahlung.

Was sind typische Gegenargumente von Seiten des Arbeitgebers?

Typisch sind Argumente wie „Für eine Gehaltserhöhung gibt es aktuell kein Budget“. Oder „Im Moment ist die Marktlage schwierig.“ Darauf können Sie mit der „Gerade-weil-Technik“ erwidern, zum Beispiel „Gerade weil das Marktumfeld derzeit schwierig ist, sollte es unserem Unternehmen wichtig sein, Mitarbeiter zu motivieren.“

Ein weiteres typisches Gegenargument von Chefs ist: „Dann müsste ich ja allen mehr zahlen!“ Hier können Sie dagegenhalten, dass ja auch nicht alle die gleiche Leistung bringen und daraufhin nochmals Ihren Mehrwert für das Unternehmen herausstellen.

Wie wichtig ist ein sicheres Auftreten in der Gehaltsverhandlung?

Absolut wichtig. Das Gegenüber spürt sofort, wie überzeugt Sie selbst davon sind, mehr zu verdienen, sozusagen, wie viel Sie sich wert sind. Vermeiden Sie Konjunktive und Abschwächungen wie „könnte, würde, vielleicht, eher, eventuell“ und dergleichen.

Üben Sie sicheres Auftreten in der Gehaltsverhandlung mit diesen Tipps: Proben Sie das Gespräch einige Male vorab, entweder alleine oder mit jemand Anderen. Lassen Sie sich Feedback zu Ihrer Körpersprache, Stimme und insgesamt zu Ihrem Auftreten geben, so dass Sie später in der Verhandlung Ihre Forderung authentisch und selbstbewusst stellen können.

Wie kann ich mich informieren, welches Gehalt realistisch ist?

Recherchieren Sie vor der nächsten Gehaltsverhandlung Ihren Marktwert auf breiter Basis, zum Beispiel in verschiedenen Internet-Gehaltsvergleichsportalen, durch veröffentlichte Gehaltsstudien oder Informationen von Berufs- Branchen- und Tarifverbänden. Eine weitere Möglichkeit ist es, sich im eigenen Netzwerk umzuhören.

Falls Sie in einem Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern arbeiten, können Sie seit 2018 unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes bei Ihrer Personalabteilung nachfragen, wie hoch das mittlere Bruttogehalt, der sogenannte Median, Ihrer gegengeschlechtlichen Kollegen ist. Leider ist die Aussagekraft dieses anonymisierten und eher groben Wertes etwas begrenzt. Trotzdem kann es in manchen Fällen helfen, das eigene Gehalt besser einzuordnen. Informieren Sie sich näher über die Rahmenbedingungen des Gesetzes und entscheiden Sie, ob ein solcher Schritt für Sie sinnvoll ist.

Wie wichtig ist es, Verhandlungsspielraum im Gehaltsgespräch zu haben?

Sehr wichtig, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Ihr Vorgesetzter versuchen, Sie herunterzuhandeln. Überlegen Sie sich im Vorfeld ein realistisches Zielgehalt sowie zusätzlich einen Wert, der darüber liegt und mit dem Sie in die Verhandlung einsteigen. Wenn Sie zu hoch einsteigen, machen Sie sich unglaubwürdig. Wenn Sie zu niedrig einsteigen, verkaufen Sie sich unter Wert. Erhöhen Sie Ihren Verhandlungsspielraum noch weiter, indem Sie sogenannte Nebenleistungen, wie einmalige Boni, Tankgutscheine, ein Jobticket oder den Beitrag für den Fitnessclub in der Hinterhand haben. Oder Sie lassen sich die nächste Weiterbildung zahlen. All dies kann aufgrund der Steuerregelungen am Ende sogar lukrativer als eine Bruttoerhöhung sein.

Und die Drohung zu kündigen, wenn meine Forderung nicht erfüllt wird? Ist das ratsam?

Mit einer Kündigung zu drohen, ist äußerst ungünstig, denn die wenigsten Chefs lassen sich unter Druck setzen. Viele reagieren darauf eher mit Ärger oder Enttäuschung wie: „Ich halte Sie nicht!“ oder „Wenn Geld Ihnen so viel wichtiger ist als alles andere, bin ich menschlich sehr enttäuscht von Ihnen.“ Darüber hinaus schaden Sie sich selbst, wenn Sie wegen eines möglichen Gesichtsverlusts quasi kündigen müssen, sollte Ihre Forderung nicht erfüllt werden. Falls Sie vorhaben, zu gehen, können Sie dies immer noch ohne vorherige Ankündigung tun. Falls Sie zumindest einen dezenten Hinweis geben wollen, könnte dieser in etwa so lauten: „Ich habe mehr Verantwortung übernommen und möchte dies auch weiterhin tun, am liebsten hier in unserem Unternehmen.“ Hier weisen Sie eher indirekt darauf hin, dass Sie sich durchaus ein anderes Unternehmen vorstellen können, aber Sie benennen deutlich Ihre Präferenz für das jetzige Unternehmen.

Wie wichtig ist eine gute Beziehung zum Chef für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung?

Sie schadet definitiv nicht. Ganz im Gegenteil. Denn häufig sind Gehaltsverhandlungen bereits vorher entschieden, was weithin unterschätzt wird. Wer abends vor dem Feierabend ein- bis zweimal in der Woche kurz beim Chef vorbeischaut und ein paar Sätze über den Stand seiner Arbeit und vor allem die erreichten Ergebnisse verliert, erhöht seine Sichtbarkeit nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber. Ich ermuntere immer alle dazu, bitte nicht den „Schaumschlägern“ die Bühne zu überlassen, die wenig Leistung bringen, aber die Kunst des Eigenmarketings hervorragend beherrschen. Helfen Sie Ihrem Chef, zwischen all den Meetings und E-Mails die richtigen Dinge wahrzunehmen, nämlich Ihre gute Arbeit – als wichtige Basis für die nächste Gehaltsverhandlung.

Was tue ich, wenn mein Vorgesetzter gar nicht mit sich reden lässt?

Machen Sie deutlich, dass Sie mit dem Verhandlungsergebnis nicht zufrieden sind und vereinbaren Sie einen neuen Termin. Was als fester Termin einmal im Kalender steht, geht nicht im Alltagsgeschäft unter – weder in Ihrem, noch in dem Ihres Chefs. Vielleicht reichen auch nur ein paar Tage „Verschnaufpause“, in denen jeder in Ruhe über seine Position nachdenken kann. Ansonsten vereinbaren Sie zum Beispiel einen Termin in einem halben Jahr. Fragen Sie gezielt nach, was Sie tun müssen, um eine Gehaltsstufe weiter nach oben zu kommen. Dies können Weiterbildungen oder zusätzliche Aufgaben und Projekte sein. Wenn Sie die Zertifikate und Erfolge in der nächsten Gehaltsverhandlung vorweisen, machen Sie es Ihrem Vorgesetzten schwerer, Ihre Gehaltsforderung mit vagen Argumenten abzulehnen und erhöhen somit Ihre Chancen auf ein Gehaltsplus.

Danke für das Gespräch!

Das Video zum Interview mit weiteren Tipps rund um das Thema Gehaltsverhandlung findest du hier - Viel Spaß beim reinschauen!

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