Arbeitsrecht: Wann gilt ein Praktikant als Arbeitnehmer?

von Monster Contributor

Natürlich können und sollen Praktikanten im Unternehmen arbeiten, ohne dass sie gleich als Arbeitnehmer gelten. Wo ist aber die Grenze zwischen einem Praktikum und einem Anstellungsverhältnis?

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Von Dr. Bert Howald

Das Arbeitsgericht Bochum hat mit Urteil vom 25.03.2014 (gerichtl. Aktenz. 2 Ca 1482/13) eine Einzelhandelskette zur Nachberechnung von Bruttolohn in Höhe von über 17.000 Euro verurteilt. Den Medien ist zu entnehmen, dass das Unternehmen eine „Praktikantin“ über Monate als Kassiererin eingesetzt hat. Das Arbeitsgericht ging offenbar davon aus, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelte und daher auch eine Vergütung für geleistete Arbeit zu zahlen war. Gegen das Urteil will das Unternehmen dem Vernehmen nach Rechtsmittel einlegen.

Auch Praktikanten müssen arbeiten, nicht nur lernen

Auf den ersten Blick ist klar: Praktikanten kommen nicht in erster Linie ins Unternehmen, um Arbeit zu leisten, sondern um Erfahrungen zu sammeln, um vielleicht später einmal in diesem oder einem anderen Unternehmen einer Arbeit nachgehen zu können. Ihnen fehlt es ja auch meist noch an der Berufsqualifikation.

Das Praktikum dient mit anderen Worten der Ausbildung und dem Sammeln von Erfahrungen. Allerdings kann man in der Regel nur dadurch Erfahrungen praktischer Art sammeln, wenn man nicht nur anderen über die Schulter sieht, sondern auch selbst tätig wird. Deshalb wird im Praktikum in aller Regel zumindest teilweise auch Arbeit geleistet. Das ist auch nichts Verwerfliches.

Vom Praktikum zum Traumjob

Ob ein Praktikum ein Praktikum ist, definiert die Praxis

Das Praktikum ähnelt auch in vieler Hinsicht einem Arbeitsverhältnis, das Pflichtengefüge zwischen Praktikant und Ausbilder ist ähnlich wie das zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Wie der Arbeitnehmer ist auch der Praktikant verpflichtet, im Rahmen der getroffenen Absprachen im Betrieb zu erscheinen, sich gegenüber dem Unternehmen loyal zu verhalten und die Weisungen des Ausbilders zu befolgen. Er kann dafür Urlaub verlangen, die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeiten und so weiter.

Wenn der Weiterbildungszweck im Praktikum nicht im Vordergrund steht, sondern die Erledigung laufender Arbeiten, handelt es sich aber in Wirklichkeit gar nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil v. 10.08.2006 - 4 Sa 386/06). Dann hilft es dem Unternehmen auch nichts, wenn auf dem Vertragsdokument in großen Buchstaben „Praktikumsvertrag“ steht. Denn wie die Beteiligten den Vertrag bezeichnen, sagt für sich genommen noch nichts aus.

Die Vergütungsfrage

Was kann der Praktikant an Vergütung verlangen? Ein Praktikant arbeitet möglicherweise genauso geflissentlich und gut wie ein Arbeitnehmer. Warum sollte dann nicht auch das gleiche Geld gezahlt werden? Die Antwort lautet nach einer beliebten Juristenfloskel: Es kommt darauf an.

Im Gesetz gibt es keinen ausdrücklichen Vergütungsanspruch für jede Art von Praktikanten. Ein Praktikumsverhältnis kann aber ein so genanntes „anderes“ Vertragsverhältnis im Sinne von § 26 des Berufsbildungsgesetzes sein. Auf diese „anderen“ Vertragsverhältnisse findet das Berufsbildungsgesetz ebenfalls weitgehend Anwendung. Das Berufsbildungsgesetz ist eigentlich für Berufsausbildungsverhältnisse gedacht und nicht für Praktikanten, regelt aber, dass bestimmte Vertragsverhältnisse wie Ausbildungsverhältnisse behandelt werden müssen.

Gesetzlicher Hintergrund

Ein „anderes Vertragsverhältnis“ in diesem Sinne ist ein Praktikum, wenn der Praktikant im Betrieb vorrangig deswegen tätig wird, um sich die notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen, die zur Vorbereitung auf einen Beruf erforderlich sind. Der Betroffene muss „eingestellt“ worden sein, „um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt“.

In § 17 des Berufsbildungsgesetzes ist dann geregelt, dass eine angemessene Vergütung gezahlt werden muss. Dies ist aber nicht so zu verstehen, dass doch eine Art Arbeitsvergütung wie bei Arbeitnehmern geschuldet wird. Insbesondere, wenn es sich um ein Praktikum im obigen Sinne handelt, kann es ausreichen, wenn die Praktikumsvergütung nur die Höhe einer Aufwandsentschädigung oder eines Beitrags zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten erreicht (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 13.03.2003 - 6 AZR 564/01).

Weitere Informationen

Was genau im Einzelnen angemessen wäre, lässt sich angesichts der Vielfalt denkbarer Praktikumsausgestaltungen allgemeingültig kaum sagen. Einen guten Überblick hierzu liefert ein Artikel in HR-Magazin von monster.de

Dr. Bert Howald,

Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Gaßmann & Seidel in Stuttgart tätig.

www.gassmann-seidel.de