Authentisch im Vorstellungsgespräch - aber wie?

von Bastian Hughes

Maria sitzt vor dem Besprechungsraum, noch fünf Minuten bis zum Beginn ihres Vorstellungsgesprächs. Nervös rutscht sie auf dem Sessel hin und her. Der Kaffee vor ihr ist längst kalt geworden. Sie hat ganz vergessen ihn zu trinken, weil sie im Kopf immer wieder ihre Vorbereitung durchgeht. Alle wichtigen Fragen und deren Antworten hat sie in- und auswendig gelernt: „Nennen Sie Ihre Stärken und Schwächen“, „Warum sollten wir uns für Sie entscheiden?“, „Was haben Sie im letzten Job gemacht?“. Auch hat sie Antworten auf die Lücken gefunden und warum sie ihren Job wechseln möchte.

Perfekt! Keine Frage – genauso wie es in jedem Ratgeber stand. Ganz ohne Zweifel ist Maria allerdings doch nicht. Denn das, was sie im Ratgeber gelesen hat, wie sie sich verhalten soll, wie sie sich „verkaufen“ soll, fühlt sich überhaupt nicht gut an. Irgendwie einfach nicht richtig! Verkaufen soll sie sich – wie soll das gehen? Maria liebt weder die große Bühne noch ist sie Sales-Expertin und hat es auch nicht vor, zu werden. Trotzdem soll sie sich jetzt verkaufen. „Wie kann sie überzeugen und dabei trotzdem sie selbst bleiben?“ – fragt sie sich, „authentisch bleiben" eben.

Authentisch verkaufen? Eine große Hürde für viele

So wie Maria geht es tagtäglich vielen meiner Klienten, wenn wir im Coaching sitzen. Die Antworten, die ich meistens erhalte, klingen so ähnlich wie: „Ich kann mich überhaupt nicht verkaufen!“, „Ich will denen ja keinen Quatsch erzählen!“, „Wenn es darum geht, meine Stärken oder Schwächen zu nennen, weiß ich gar nicht was ich antworten soll!“, „Ich will mich nicht verkaufen, denn das wäre ja unecht!“.

Dabei steckt häufig die Angst dahinter arrogant zu wirken, eingebildet, als Angeber/in abgestempelt zu werden und wer will das schon? Aber was ist, wenn es einen Weg gäbe, dich so zu verkaufen, dass du dich dabei authentisch fühlen kannst? Und was wäre, wenn du dich dabei auch noch souverän und selbstbewusst fühlst, weil du dir deiner Fähigkeiten und Kompetenzen absolut sicher sein kannst? Denn wenn du von dir und deinen Erfolgen erzählst, kannst du trotzdem du selbst sein – und das ohne arrogant zu wirken. Nur vielleicht ein bisschen stolz. Und das kannst du auch sein!

Deine Erfolgsstories – welche sind das überhaupt?

Wir reflektieren, was wir gemacht haben, was für Erfahrungen und Fähigkeiten wir erworben haben und was uns für die Stelle qualifiziert. Wir gehen unsere Bewerbungsunterlagen durch und lesen unsere letzten Arbeitszeugnisse. Überall geht es immer nur um das, WAS wir gemacht haben. Und genau da liegt der Hund begraben. Einfach alles aufzählen und von sich selbst behaupten worin man gut ist, fühlt sich alles andere als authentisch an.

Worauf es aber ankommt ist das „WIE“! Also wie haben wir die Erfahrungen und Fähigkeiten erworben? Denn genau hier liegt das Geheimnis hinter dem authentischen Verkaufen. Hier geht es um deine Geschichten – oder noch besser: um deine Erfolgsstories.

Jetzt ist es für die meisten von uns allerdings schon schwierig genug, überhaupt zu erkennen, was unsere Erfolgsgeschichten sind. Erfolgsgeschichten sind die Geschichten, wo unsere Stärken voll zur Geltung kommen, wo wir zur Höchstform auflaufen und mit Souveränität und Gelassenheit die Probleme dieser Welt lösen.

Und das Witzige ist: Gerade unsere größten Stärken fallen uns so leicht, dass wir sie oftmals gar nicht als solche bemerken. Wie auch, schließlich machen wir ja tagtäglich einfach nur unseren Job und wenn uns dann doch mal jemand lobt, dann tun wir das als nichts Besonderes ab.

So findest du deine authentischen Erfolgsgeschichten

Jetzt beginnt der schwierigste Teil. Denn du darfst dich Fragen, was du in deinen letzten Jobs gut gemacht hast. Dafür gebe ich dir ein einfaches 3-Schritte-Hilfsmittel an die Hand und ich verspreche dir, der Einstieg macht es dir besonders leicht.

Denn du darfst über Probleme nachdenken und ich denke da sind wir uns einig: Probleme, die es zu lösen gilt im Job, kennt jeder und es gibt definitiv genug davon in der Arbeitswelt, oder? ;-)

Schritt #1 – Überlege dir: Dieses Problem habe ich gelöst!

Du hast es bestimmt schon 1.000 Mal in Stellenanzeigen gelesen: „Problemlösungskompetenz“ – Prima! Eine Kompetenz die wir alle haben, denn wenn wir uns mit einem Problem konfrontiert sehen, dann suchen wir dafür eine Lösung.

Für den Einstieg in deine Erfolgsgeschichte brauchst du also zunächst ein Problem, welches du in der Vergangenheit gelöst hast. Um dieses Problem noch mit etwas „Drama“ zu würzen, empfehle ich dir auch noch über die Erschwernisse nachzudenken. In meinen Coachings empfehle ich meinen Klienten, es wie eine Art „Mission Impossible“ zu sehen. Denn durch die Erschwernisse wird dein Problem noch mal besonders aufgeladen.

Schritt #2 – Zeige auf: Das habe ich getan, um es zu lösen.

Jetzt geht es darum, WIE du das Problem gelöst hast. Also was war der allererste Schritt, als dieses Problem auftrat? Was hast du gemacht, wen hast du konsultiert? Hast du dir zunächst einen Überblick verschafft, den Status Quo analysiert, Ist- und Soll-Abweichungen festgestellt? Dann geht es weiter und du listest für dich Schritt für Schritt auf, was du gemacht hast. Du beschreibst wie du vom Problem zur Lösung gekommen bist.

Hier möchte ich dir unbedingt empfehlen, diese Übung mit einer guten Freundin oder einem guten Freund zu machen. Dabei ist es wirklich wichtig, dass ihr beide vereinbart, dass diese Person ruhig jeden einzelnen Schritt von dir kritisch hinterfragen kann. Dadurch wappnest du dich nämlich zum einen für die Fragen des Personalers und zum anderen kannst du sicher sein, dass dein Gegenüber die Geschichte auch richtig nachvollziehen kann.

Schritt #3 – Mach‘ dir klar: Diese Stärken habe ich gezeigt.

Jetzt hatte ich dir weiter oben versprochen, dass du auch etwas über deine Stärken und Kompetenzen lernen kannst. Nachdem wir über den schwierigsten Teil, nämlich das Finden einer Erfolgsgeschichte gesprochen haben, kommt jetzt der Part, der dir einen „Selbstbewusstseins-Boost“ gibt.

Du überlegst dir auf Basis deiner Geschichte welche Kompetenzen und Stärken sich daraus ableiten lassen. Danach fragst du auch deine Freundin bzw. deinen Freund welche Stärken sie/er daraus erkennt. An dieser Stelle verspreche ich dir schon mal, dass dies der schönste Moment der ganzen Übung ist.

Ich nutze dieses Tool, welches ich PETES nenne, gerne als erste Übung in meinem Seminar. Wenn die Teilnehmenden diese Übung machen, danach in Kleingruppen gehen und sich hier gegenseitig Feedback geben, dann blicke ich danach in strahlende Gesichter. PETES steht übrigens für Problem/Projekt, Erschwernis, Tätigkeiten, Ergebnis und Stärken.

Von der Theorie in die Praxis: Deine authentischen Erfolgsgeschichten

Jetzt möchte ich dich dazu einladen, mehrere von diesen Erfolgstories niederzuschreiben – die ganz Strebsamen schreiben sich übrigens bis zu zehn Geschichten auf. Denn im Grunde genommen kannst du zu jeder Frage im Vorstellungsgespräch eine passende Geschichte finden. Authentizität bedeutet nämlich vor allem eins: dass du aufrichtig und ehrlich von dir als Person und deiner Arbeit erzählst und nicht das Gefühl hast etwas dazu erfinden zu müssen, um zu glänzen.

Und was kann das für Auswirkungen auf dein nächstes Vorstellungsgespräch haben? Nun, wie fühlt es sich denn an, wenn du mit Sicherheit und vor allem mit einem guten Gefühl von dir erzählen kannst, welche Leistungen du vollbracht hast?

Weil es deine Geschichten sind und du wirklich diese Probleme gelöst hast. Das ist weder unecht, noch arrogant, noch erzählst du ausgedachte Geschichten. Das bist ganz authentisch du!

Und Maria?

Glücklicherweise hatte Maria ihre Erfolgsgeschichten im Vorfeld erarbeitet und aufgeschrieben, so dass sie das zweifelnde Gefühl ganz leicht loslassen konnte. In ihrer Mappe, die sie dabei hatte, waren Stichworte notiert, so dass sie sich an die jeweilige Geschichte erinnern konnte.

Zu wissen, was Maria wirklich kann und das mit echten Stories zu belegen, gab ihr die Souveränität, die sie im Vorstellungsgespräch brauchte, um ihren Gegenüber von sich zu überzeugen. Und noch viel mehr – denn wie fühlt es sich an, zu wissen, was du kannst und dass du wirklich schon echt viele gute Probleme gelöst hast? Was macht das mit deiner Überzeugung von dir selbst? Letztendlich kannst du nur überzeugen, wenn du auch von dir selbst überzeugt bist.

Über den Autor:

Bastian ist Experte für Karriere und Bewerbung. Seit mehr als 10 Jahren führt Bastian als Recruiter, Bewerbungsberater und Karriere-Coach Menschen und Unternehmen erfolgreich zusammen. Seine Vision: "Einen Ort zu schaffen, in dem Menschen sich beruflich und persönlich weiterentwickeln können, um mit dem erfolgreich zu sein, was Ihnen am meisten Spaß macht." Aus diesem Grund hat er das Unternehmen „Berufsoptimierer“ gegründet, womit er Menschen auf allen Schritten dieses Weges mittels Coaching, Workshops und seinem wöchentlich erscheinenden gleichnamigen Podcast begleitet und unterstützt.

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